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Doppelinterview mit der FeRD-Leitung

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Ivo Moszynksi (DATEV eG) und Andreas Michalewicz (Hessisches Ministerium der Finanzen) stellen sich den Fragen der AWV.

Herr Moszynski, Sie sind seit 2018 Leiter des AWV-Ar­beits­kreises 4.6 „Forum elektronische Rechnung Deutschland“, der sich schwerpunktmäßig mit stra­te­gi­schen Fra­ge­stellungen rund um die elek­tro­nische Rechnung beschäftigt. Im Juni 2022 wurden Sie erneut zum Arbeitskreisleiter ausgewählt. Was motiviert Sie, Ihre zweite Amtszeit anzugehen?

Ivo Moszynski: Wir haben in den letzten Jahren eine kontinuierliche Steigerung der elektronischen Rechnungen feststellen können. Allerdings sind wir im internationalen Vergleich nach wie vor eher im hinteren Drittel angesiedelt, wenn wir uns den Digitalisierungsgrad im Mittelstand und die Verbreitung der elektronischen Rechnung anschauen. In anderen Staaten war die Einführung eines CTC Systems (Continuous Transaction Control) zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung ein Beschleuniger. Die Ampel-Regierung hat die schnellstmögliche Einführung eines solchen Systems auch für Deutschland angekündigt – dies ist eine riesige Herausforderung, aber auch Chance für das Thema. Hier würde ich gerne mithelfen, dass in Deutschland die richtigen Weichen gestellt werden.

Rückblickend auf Ihre vierjährige Amtszeit, Herr Moszynski: Was waren Herausforderungen der letzten Jahre und auf welche Erfolge kann das FeRD bereits jetzt zurückblicken?

Ivo Moszynski: Die größte Herausforderung war sicherlich, das ehrenamtliche Engagement auch im Rahmen der Pandemie aufrechtzuerhalten. Trotz der erschwerten Bedingungen haben wir im FeRD in den Competence Centern eine super Arbeit geleistet. Wir haben die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung intensiviert, die Kooperation mit unserer französischen Partnerinstitution, dem französischen nationalen Forum für elektronische Rechnungsstellung und öffentliche elektronische Beschaffung (FNFE-MPE), ausgebaut und auch sonst viele fachliche Fragen geklärt und Handlungsempfehlungen erarbeitet.

Herr Michalewicz, Sie wurden als stellvertretende Leitung des FeRD gewählt. Welche Vorteile sehen Sie in Ihrer Rolle als Vertreter der öffentlichen Verwaltung für das FeRD?

Andreas Michalewicz: Die öffentliche Verwaltung nimmt im Rahmen der Einführung der elektronischen Rechnung verschiedene Rollen ein, weil sie auf der einen Seite als Legislative die Rahmenbedingungen setzt und auf der anderen Seite als Exekutive eine Branche unter vielen anderen ist. Deshalb ist ein Austausch mit den anderen Mitgliedern im FeRD besonders wichtig, um die gegenseitigen Anforderungen und Herausforderungen verstehen zu können. Die elektronische Rechnung in Deutschland kann nur zum Erfolg werden, wenn alle zusammenarbeiten und dadurch im FeRD ein Mehrwert realisiert wird. Daher möchte ich mich in meiner neuen Funktion als stellvertretender Leiter des FeRD bestmöglich dafür einsetzen, Fragestellungen der öffentlichen Verwaltung stärker einzubringen.

Herr Michalewicz, Sie sind im Hessischen Ministerium der Finanzen für die Standardisierung im Rahmen der Digitalisierung verantwortlich. In Ihrer Verantwortung liegt unter anderem auch die Einführung der elektronischen Rechnung in der hessischen Landesverwaltung. Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen bei der Umsetzung der elektronischen Rechnung in einem Bundesland?

Andreas Michalewicz: Betrachten wir alle öffentlichen Auftraggeber in einem Bundesland, so stellen wir fest, dass nicht alle gleich sind. In deren Verantwortung liegen eine Vielzahl von unterschiedlichen Themen, die mit vielen unterschiedlichen Prozessen abgebildet werden. Jeder Prozess für sich muss kontinuierlich mit einer großen Zuverlässigkeit funktionieren. Insofern gilt es immer, dies im Blick zu halten, und kurzfristige Umstellungen sind meist schwierig. Deshalb bedarf es einer mittel- bis langfristigen Planung und einer sorgfältigen Abwägung aller Rahmenparameter. Im Idealfall führt die elektronische Rechnung für alle Beteiligten zu Effizienzgewinnen und hilft auch bei jedem öffentlichen Auftraggeber, die Digitalisierung voranzutreiben. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig dies ist, und die elektronische Bearbeitung von Rechnungen hat dabei geholfen, dass eine Vielzahl von Rechnungen auch aus dem Homeoffice bearbeitet werden konnten.

Die beiden gewählten Leiter des FeRD, Ivo Moszynski (DATEV eG; links im Bild) und Andreas Michalewicz (Hessisches Ministerium der Finanzen), im Garten der Hessischen Landesvertretung in Berlin.© AWV e. V.

Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Themen, mit denen sich das Forum elektronische Rechnung Deutschland in naher Zukunft befassen sollte? Welche Pläne haben Sie für den Arbeitskreis?

Ivo Moszynski: Wir werden das FeRD weiter als neutrale Plattform für Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Dienstleister für die Weiterentwicklung der elektronischen Rechnung in Deutschland ausbauen. Die Einführung eines zentralen Meldesystems für elektronische Rechnungen in Deutschland ist dabei sicher ein Kernthema, insbesondere weil hier nicht nur technische Fragen, sondern vor allem auch rechtliche und prozessuale Fragestellungen zu klären sind und wir im FeRD durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit bestens aufgestellt sind. Der zweite große Themenblock ist in meinen Augen die Weiterentwicklung der digitalen Prozesse entlang des Beschaffungs- und Abrechnungsprozesses.

Mit Order-X hat das FeRD im Jahr 2021 einen zweiten Standard veröffentlicht. Können Sie kurz skizzieren, welche Vorteile es hat, weitere Standards im Umfeld des elektronischen Geschäftsverkehrs zu digitalisieren und zu standardisieren?

Andreas Michalewicz: Der gesamte Beschaffungskreislauf sollte zukünftig digital abgebildet werden. In diesem Zusammenhang war die elektronische Bestellung nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. Mit Order-X als neuem Standard können jetzt auch Lieferanten und Auftraggeber ihre Systeme und Prozesse auf den elektronischen Bestellaustausch vorbereiten und zukünftig auf Papier und den damit verbundenen postalischen Versand verzichten. Dies ist nicht nur nachhaltig, sondern vermeidet auch Kosten.

Im Rahmen der engen Zusammenarbeit mit dem französischen Pendant zu FeRD, dem französischen nationalen Forum für elektronische Rechnungsstellung und öffentliche elektronische Beschaffung (FNFE-MPE), bewegt sich die Arbeit des FeRD hin zu einer europaweiten Standardisierung. Welche zusätzlichen Vorteile ergeben sich durch europaweit einheitliche Rechnungsstandards für Unternehmen und Verwaltungen?

Ivo Moszynski: Heute sind es nicht mehr nur die großen Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind und Rechnungen länderübergreifend stellen bzw. erhalten. Eine grenzüberschreitende Standardisierung von (Rechnungs-)Prozessen vereinfacht den Marktzugang – gerade für KMU. Aber auch die Verwaltungen in- und außerhalb Deutschlands profitieren von einem gemeinsamen elektronischen Rechnungsstandard. Denn öffentliche Auftraggeber besitzen einen nennenswerten Marktanteil und sind mitunter in internationalen Vergabeverfahren in ihrer Rolle als Auftraggeber mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie privatwirtschaftliche Unternehmen. Hinzu kommt, von einem technischen Blickwinkel aus betrachtet, dass ein gemeinsamer Standard die Entwicklung von Software-Lösungen sowohl für Unternehmen als auch für Verwaltungen der verschiedenen europäischen Länder vereinfacht.

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